Viva La Difference! (oder Vorlieben im BDSM)

Mit wunderbarer Regelmäßigkeit liest man in Foren, auf TwitterFacebook oder den diversen anderen Medien Sätze wie „Sub hat ja sowieso (hier bitte irgendeinen Kink einsetzen) zu sein“. Und all denen, die das Schreiben, rufe ich entgegen: „Viva la Difference!“.  Denn ich halte diese Verallgemeinerung einfach nur für falsch und dumm . Jeder soll seine Vorlieben im BDSM leben können! Und weil ich in solchen Situationen sowieso immer wieder das Selbe schreibe, habe ich mir gedacht „mach doch einen Artikel draus“. Gedacht, getan, und in Zukunft kann ich als Antwort auf solchen Blödsinn einfach nur noch mit dem Link hierher Antworten. Wieder wertvolle Lebenszeit gespart!

Der letzte Auslöser war folgender Satz in einem Tweet: „Schließlich sollte man sich dem Dom eh nackt zeigen…“. Eigentlich erstmal gar nix wildes, oder?

Aber jetzt denken wir einfach mal ein bisschen abstrakter, ein bisschen weiter. Wer ist in diesem Moment „man“? In diesem Kontext würde ich mal sagen, es kann durchaus so gelesen werden, dass hier ein Dom hingeht und sagt: „Es ist ein muss für jede sub, (vor mir) nackt zu sein“. Ich bitte zu bemerken, hier wird nicht gesagt „subs, die mit mir (dem Dom) in einer Dynamik sind“. Oder aber „subs, die mit mir (dem Dom) eine Beziehung haben“. Hier wird mit „man“ einfach mal willkürlich jede sub angesprochen. Es wird also ein Grundpfeiler jeder BDSM – Beziehung ausgeklammert, nämlich der Konsens. Wie bitte kommt ein dominanter, der sich schon seit längerem in der Szene herumtreibt, dazu, einen Konsens (bedingungslose Nacktheit) mit jeder sub, die seinen Weg kreuzt, vorauszusetzen?

Oder, noch einen Schritt weiter wie kommt dieser Dom dazu, mir zu sagen, wie ich meine sub zu halten habe? Und seit wann gelten in der Vereinbarungsphase nur die Vorlieben im BDSM des Dominanten?

All das lässt mich immer wieder ein bisschen zweifeln. Wie ernst nehmen es die, die Online Ihre Reputation pushen? Wie viel von dem, was wir lesen, sollen wir ernst nehmen? Und wie trennen wir die digitale Spreu vom Weizen? Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Denn ich glaube, die die Solche Sätze schreiben, sind nur in den wenigsten Fällen Leute, die von dem was Sie tun keine Ahnung haben. Oft bloggen Sie, organisieren Veranstaltung und sind aktiv in der Szene. Sie sollten halt nur zweimal nachdenken, bevor Sie „Senden“ klicken.

Seht interessant finde ich in dieser Hinsicht etwas, das mir auch häufig auffällt:

Gerade die, die immer wieder versuchen, Ihre Regeln anderen als „muss“ zu verkaufen sind meistens die, die gleichzeitig Ihre „Individualität“ und die Vielfältigkeit der Szene propagieren.

Außerdem sind es häufig auch eben ganz gängige Stereotypen beziehungsweise die gängigen Klischees, die von den „Ausbildern“ dieses Stils als Regel festgelegt werden. Widersprüchlich? Ja… schon….

Ich möchte da auch gar nicht so viel hineininterpretieren. Ich gehe sogar so weit, dass ich sage es ist eigentlich gar nicht so gemeint. Und Menschen, die sich schon länger in der Szene bewegen, Lächeln solche Aussagen in der Regel nonchalant weg.

Aber was ist mit dem, der gerade seine ersten Schritte in der Welt des BDSM macht?

Dem, der sich für eine freie, erfüllende, intensive und zwanglose Art der Erotik interessiert? Der gerade seine Vorlieben im BDSM entdeckt und für sich einordnet?  Der treibt sich in den Foren herum und wird direkt wieder mit Dogmen, Regeln und starren Ritualen konfrontiert. Versteht mich nicht falsch, natürlich können Dogmen, Regeln und Rituale zu einer Partnerschaft mit einem Machtgefälle gehören. Oft sind sie sogar gewünscht und gefordert. Allerdings sind das Dinge, die man ganz intim, ganz individuell, miteinander vereinbart und entwickelt.

Sich selbst, seinen Partner und die Vorlieben im BDSM kennenlernen und teilen.

Das ist doch das, was einen wichtigen Teil der Beziehung ausmacht. Wie in vielen Dingen sehe ich hier immer wieder einen großen Widerspruch zu dem, wie sich die Szene nach außen gibt: Eben als die „besseren“ Beziehungsmenschen . Offener. Toleranter. Kommunikativer. All das wird dann allerdings durch solche Äußerungen ad Absurdum geführt.

Ich als dominanter Part in einer Beziehung, die durchaus auch mal in der einen oder anderen Richtung offen ist, fände es auch sehr langweilig, wenn ich jeden Partner, den ich für kürzer oder länger in unsere Dynamik lasse, mit den selben Anforderungen überziehen würde. Und nicht nur langweilig sondern sogar kontraproduktiv. Nehme ich mir in dem Moment doch selbst die Möglichkeit, neues zu entdecken und zu erleben. Und gebe ich dann nicht jeder sub, die sich auf eine gemeinsame Zeit einlässt, das Gefühl, dass Sie austauschbar ist? Eben wieder nur ein „Face in The Crowd“. Und genau das will ich in keiner meiner Beziehungen haben.

Und Last but not least gebe ich durch ein solches „man soll“ allen, die diesen Kink nicht mit mir teilen, das Gefühl, nicht „richtig“ zu sein.

Statt also über ein große, bunte Gemeinschaft von Menschen, die ein schönes Miteinander führen können, froh zu sein schließe ich Türen, sperre einzelne aus. Und gerade jetzt, wo in der elften Revision des ICD Sadomasochismus und Fetischismus aus dem Katalog des krankhaftem entfernt wurde, ist es wichtig, offen zu sein. Jetzt, wo die Gesellschaft keinen von uns mehr als „falsch“ wahrnehmen soll, zeigen wir uns von dieser exkludierenden Seite.

Also, wenn ihr neu seid in der Szene, seid mutig und hinterfragt solche Aussagen. Besteht darauf, dass ihr eure eigenen Vorlieben im BDSM habt und diese auch leben wollt.

Gerade wenn Ihr noch nicht so viel Erfahrung in der Szene habt und auf der Suche seid, seid wählerisch! Werdet euch darüber klar, was Ihr wollt, was ihr braucht und was ihr gar nicht haben könnt. Sonst braucht ihr schneller, als euch lieb ist, einen  seelischen Erste-Hilfe-Kasten. Darüber, wie Ihr, ganz grob, mal die Qualität eine dominanten einschätzen könnt, habe ich früher schon mal geschrieben.

Also passt auf euch auf! Und: …

… Viva La Difference!

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