Der ICD10 muss fallen

Oder etwa doch nicht?
Marco_Porcio_Caton_MajorCeterum censeo Carthaginem esse delendam soll gesagt haben, und damit hat er nicht nur das Votum für einen Krieg gestartet, sondern die Vernichtung eines Stadtstaates mit Kunst, Kultur und technischen Errungenschaften. Durch einen solchen Krieg wird einiges gewonnen und vieles Verloren.

Genauso wäre es mit der vollständigen Streichung der Diagnoseschlüssel F65.5 (Sadomasochismus) und Artverwandten.

Ich habe auch mal gedacht, die Streichung wäre das Heil, aber wenn ich ein wenig weiter denke, die Schwarz/Weiß – Malerei mal außen vor lasse, dann komme ich irgendwann zu dem Schluss, das zwar ich mit meinem Sadomasochismus gut leben kann, und auch Avi und viele andere, die ich kenne, keine Probleme damit haben, aber das es auch die andere Seite gibt, nämlich die Menschen, bei denen die Veranlagung einen Leidensdruck auslöst, der ohne weiteres auch die Lebensqualität desjenigen mehr oder weniger beeinträchtigen kann.

Mit der Streichung des F65.5 würde diesen Menschen die Möglichkeit genommen, therapeutische Hilfe, die in diesem Falle allerdings heißt, den Leidensdruck zu nehmen indem dem Hilfe suchenden gezeigt wird, dass das Problem nicht bei Ihm sondern bei den anderen liegt, die nicht gelernt haben, mit der Vielschichtigkeit sexueller Vorlieben umzugehen.

Also sollte meiner Meinung nach nicht die 428px-Richard_von_Krafft_Ebing‚Vernichtung‘ des F65.5 ff das Ziel sein sonder der Umgang damit.
Dazu zählt auch, sich mal darüber im klaren zu werden, dass des Krankheitsbild von jemandem stammt, der Homosexualität als angeborene neuropsychopathische Störung betitelte , nämlich . Das er dadurch die Straffreiheit von Homosexualität unterstützte, ist zwar durchaus positiv, aber für die Emanzipation einer Sexualpräferenz nicht gerade wirksam.

In den Vereinigten Staaten, wo eigentlich eine größere Prüderie herrscht als bei uns in der alten Welt, geht man mit dem Sadomasochismus anders um, und den Ansatz empfinde ich als Begrüßenswert. Dort gibt es neben dem A-Kriterium noch das B-Kriterium, eben den Leidensdruck oder die Gefährdung der eigenen Unversehrtheit  und/oder der Unversehrtheit anderer. Erst wenn beide Kriterien gegeben sind, ergibt sich ein Krankheitsbild, und diese Unterscheidung fehlt eben bei F65.5 ff.

BDSM so wie er betrieben werden sollte, also (Meta-)Konsensuell, Gleichberechtigt, Partnerschaftlich, ist nichts, was einer Behandlung bedarf. Aber diejenigen unter uns, die aufgrund Ihrer gesellschaftlich ausgegrenzten Sexualität Probleme haben, denen muss die Tür zur Hilfe offengehalten werden!

(Inspiriert zu diesem Artikel hat mich der Artikel von Armin A. Alexander auf )

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6 Antworten auf „Der ICD10 muss fallen“

  1. Hallo
    Ich bin durch Zufall auf Deine Gedanken zu meinem Artikel gestoßen.
    Gerade durch die Streichung des Schlüssels F65.5 wird denjenigen geholfen, die auf Grund äußeren Leidensdrucks Probleme mit ihrem Sadomasochismus haben! Denn dieser Schlüssel erklärt BDSM GRUNDSÄTZLICH als krankhaft!!!!!!!!
    Der durch äußere gesellschaftlichen Zwänge erzeugte innere Leidensdruck, besteht ja unabhängig von der Neigung. Denn auch Homosexuelle besitzen, je nach Umgebung in der sie aufwachsen denselben Leidensdruck. Trotz aller scheinbar öffentlicher Akzeptanz!!! Wenn sie damit zu einem Therapeuten gehen, dann kommt der eben nicht mehr auf die Idee, sie zu Heteros umzzuerziehen, denn Homosexualität gilt eben nicht mehr als krankhaft. Ihr Leidensdruck wird unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung gesehen.
    Schließlich haben noch genug Therapeuten und Mediziner den horrenden Schwachsinn gelernt, daß BDSM krankhaft sei. Nur weil gewisse Zeitgenossen seinerzeit ihre eigene sexuelle Angst als Norm dargestellt haben und alles, was ihr schwaches männliches Ego nicht verkraften konnte, kurzer Hand als krank erklärt.
    Solange der Schlüssel F65.5 wie auch die in meinem Artikel erwähnten anderen existieren, solange ist für den Hilfesuchenden eine Wanderung durch Minenfeld. Wie soll er einen Mediziner herausfinden, der weiß, daß BDSM nicht krankhaft ist, oder zumindest so tolerant ist, dem Hilfesuchenden zu sagen, daß er sich an jemanden wenden soll, der mehr Ahnung davon hat.

    Grüße
    Armin A. Alexander

  2. Richtig, die Grundsätzlichkeit des als krankhaft angesehenen BDSM muss fallen, da stelle ich auch gar nichts dagegen, BDSM ist Grundsätzlich keine krankhafte Angelegenheit.

    Aber, mal als Metapher: eine Birke macht auch nicht grundsätzlich krank, ich als Allergiker aber würde am liebsten jedes Frühjahr jede einzelne Birke in meiner Umgebung verbrennen…

    BDSM kann aber auch krankhafte Züge annehmen, kann Leidensdruck hervorrufen und kann ein Krankheitsbild sein.
    Ich denke, erst wenn auch wir SMer aufhören schwarz/weiß zu denken, können wir das auch von der Gesellschaft erwarten, erst wenn wir kritisch mit dem für und wider des manchmal eben auch traumatisch-psychologischen Aspekt auseinandersetzen, erst dann können wir von der Gesellschaft Toleranz erwarten.

    Und wenn gesellschaftliche Toleranz und Akzeptanz gegeben ist, verkommt für mich die Frage einer Einordnung in die f65 ff. Kategorien eher zu einer allgemeinen Datenschutzfrage als einer gesundheitspolitischen Diskussion.

    Aber trotz der ein wenig unterschiedlichen Gedanken: Lass uns gemeinsam versuchen, denen da draußen ein bisschen mehr zu Zeigen, dass wir auch nur ganz normale Menschen sind, die eben manchmal ein bisschen Haue mögen!

    Liebe Grüße
    Tamlin

  3. Hallo

    Wie ich sehe, reden wir vollständig aneinander vorbei.

    Wenn jemand wegen seiner BDSM-Neigung einen Leidensdruck entwickelt, so hat das absolut nichts mit dieser Neigung an sich zu tun. Wie ja auch die Birke nichts mit dem Allergiker zu tun hat. Denn die Ursache für den Leidensdruck liegt nicht im Betreffenden selbst, in seiner Neigung, sondern der psychische Druck, den die anderen auf ihn ausüben ist die Ursache, weil, daß das was er macht, ihm gefällt, etc. nicht ihren Vorstellungen von Sexualität entspricht und sie meinen, ihm IHRE Vorstellungen aufdrücken zu müssen. Das ist nichts anderes als MOBBING. Aber damit dem Betreffenden uneingeschränkt Hilfe geleistet werden, muß er in der Therapie erkennen, daß das Problem nicht bei ihm sondern bei den anderen liegt. Aber solange der F65.5 Schlüssel existiert, wird sich immer ein Quacksalber finden, der ihm seine Neigung wegtherapieren will, was im übrigen gar nicht geht, darin besteht unter Fachleuten einhellige Meinung, und nicht die eigentlich Ursache erkennt.
    Es darf nicht vergessen werden, wie der F65-Schlüssel heißt: STÖRUNGEN DER SEXUALPRÄFERENZ, auf gut deutsch: KRANKHAFTES Sexualverhalten. Der F65-5 muß daher ersatzlos gestrichen werden, damit den vom Leidensdruck Betroffenen endlich wirklich adäquate Hilfe zuteil werden kann, damit sie als das was sie wirklich sind, therapiert werden können: als MOBBING-Opfer! Um ICD zu bleiben: Dafür ist ein ganz anderer Schlüssel zuständig. Unter den F40er gibt es welche, die sich direkt mit Erscheinungen durch Veränderungen des Umfeldes, Mißerfolgenen, etc. beschäftigen. Ein erfahrener Therapeut kann sehr schnell den passenden Schlüssel nennen.
    Da wir alle Teil ein und derselben Gesellschaft sind, sind wir auch für den Respekt, den die anderen uns entgegenbringen mitverantwortlich. Was heißt, die einzigen, die die anderen über BDSM aufklären können, sind die BDSMer selbst. Schließlich haben auch die Homosexuellen die Hetereos aufgeklärt. Und nur durch den permanenten öffentlichen Druck der Homosexuellenverbände ist Homosexualität aus dem DSM und aus dem ICD gestrichen worden, aus keinem anderen Grund sonst! Wie ja auch die SM-Verbände fleißig daran arbeiten die entsprechenden Schlüssel aus dem ICD zu streichen.

    Bitte lies noch einmal meinen Artikel in Ruhe.
    Er soll vor allem den NICHT-SMer darauf aufmerksam machen, was es noch für Blüten im Gesundheitswesen gibt. Der Hauptteil setzt sich mit der Begriffsgeschichte und damit auseinander, daß BDSM einfach nur eine von vielen möglichen Formen der Sexualtität ist und es letztlich keine widernatürliche Sexualität gibt.

    Die Mehrzahler der Leser von einseitig.info sind ja Vanillas, wie auch die verantwortlichen Redakteure.
    Und es wird auch nicht dort auch nicht mein einziger Artikel über SM bleiben.

    Ich schließe mit dem Motto des diesjährigen Kölner CSDs: „Keine Toleranz gegenüber den Intoleranten!“

    In diesem Sinne ein schönes Wochenende
    Armin A. Alexander

  4. Hallo

    Mir fiel gerade auf, daß Du Spunks Blog und die BDSM-Ansichten verlinkt hast. Bei letzteren war ich von Frühjahr 2006 bis Anfang 2007 sehr aktiv, die meiste Zeit davon als Moderator, habe mich aber danach leider rar machen müssen, auf Grund zu vieler anderer Aktivitäten. Schaue heute lediglich nur alle Jubeljahre mal rein. War/bin dort unter meinem Vornamen unterwegs.

    Grüße
    Armin

  5. Hi Alexander!

    Dass der Druck, der von außen kommt nur indirekt mit der Neigung des BDSMers direkt sondern eher mit dem Unverständnis der anderen ist klar, auch das BDSM nichts mit ‚Krankheit‘ zu tun hat (Naja, zumindest uns 🙂 ).

    Du sagst auch:

    Aber solange der F65.5 Schlüssel existiert, wird sich immer ein Quacksalber finden, der ihm seine Neigung wegtherapieren will

    Das mag so sein, aber ich glaube nicht, dass das mit dem Wegfall des f65.5 aufhören würde.
    Der Quacksalber würde dann z.B. den ‚Grund des Leidens‘ in der ’negativ belegten Form der Sexualität‘ begründen und dem Patienten raten, diese ‚abzulegen‘; das Unwissen findet seinen Weg!

    Das der f65.5 so, wie er momentan ist, nicht bleiben kann, da bin ich mit allen, die dagegen arbeiten, einer Meinung, BDSM als solcher ist nicht und soll/darf nicht als ‚krankhaft‘ dargestellt werden, aber eine Möglichkeit des Verweises auf die sexuelle Neigung als Hintergrund sollte gegeben und möglich sein, um ein gutes und zielgerichtetes Therapieren des eigentlichen Problems möglich oder leichter zu machen.

    Wir SMer sollten uns, und auch da geb ich Dir recht, ein großes Beispiel an der Schwulen- und Lesbenbewegung nehmen, die haben vorgelebt, wie Toleranz und letztendlich auch Akzeptanz in der Gesellschaft erzeugt werden kann.

    Grüße
    Sascha

  6. Hallo Sascha

    Zum Quacksalber: Ist der F65.5 Schlüssel weg, ist BDSM auch offiziell keine „Krankheit“ mehr. Also wird auch der Quacksalber, was ja ein nettes Synonym für Fachidiot ist, die sexuelle Vorliebe nicht mehr als Urasche ansehen können. Denn ein Quacksalber kennt ja nur sein (veraltetes) Lehrbuch und denkt nicht selbst.
    Übrigens beschreibst Du in Bezug auf den Quacksalber gut, wie BDSM erst Krankheit werden konnte. Denn genauso ist Krafft-Ebing ja vorgegangen, er hat die Ursache für den Leidensdruck seiner Patienten ausschließlich in ihren sexuellen Vorlieben gesucht! Weil er eben, wie die meisten Männer seiner Zeit selbst voller sexueller Probleme und Komplexe war. Das war so einer, der 2 und 2 zusammenzählt und 5 herausbekommen hat! Und weil einer allein ja nicht wirklich blöd sein kann, sind in der Folgezeit etliche mit auf den Zug aufgesprungen, einschließlich Freud und Reich, obwohl man bei beiden etwas mehr Verstand hätte erwarten können.
    Das Problem ist mit dem ICD ist ja, daß er mindestens ein viertel Jahrhundert hinter der akutellen Forschung steht. Er listet einfach die eine oder andere (seelische) Krankheit auf, die in aktuellen Fachpublikationen als solche gar nicht mehr vorkömmt und dazu gehört der F65.5 und auch der über gesteigertes sexuelles Verlangen (was immer das heißen mag, vor allem wenn man dabei seine seelische Befriedigung stets erhält). Kein vernüftiger Therapeut oder Mediziner käme heute noch auf die Idee, erstens BDSM als Krankheit anzusehen und zweitens versuchen „das wegzutherapieren“. Andererseits sind manche Leute bei der Wahl ihres Arztes auch nicht sonderlich sorgfältig.
    Wie dem auch sei, fleißig im eigenen Umkreis bei der Beseitigung der Vorurteile helfen, dann hilft man den Gleichgesinnten.
    Ich muß sagen, ich habe über die Jahre, wenn das Thema BDSM zur Sprache kam, bei den sogenannten Vanillas, die es vermutlich auch gar nicht in Reinform gibt ;-), bisher auf keine ablehnende Reaktion gestoßen, die waren entweder selbst überzeugt, daß darin nichts Krankhaftes ist, oder froh, mal was Fundiertes darüber zu hören.
    Und gesellschaftlich stigmatisiert werden, kann man wegen alles, auch wegen roter Haare oder die Art sich zu kleiden. Auch sich zu dick zu fühlen, kann zum Leidensdruck werden. Auch da ist nicht das (vermeintliche) Übergewicht die Ursache, sondern schlichtweg Intoleranz der anderen.
    Wie gesagt, ein guter Therapeut oder Arzt erkennt ja auch die richtigen Ursachen für den Leidensdruck. Das Problem beim F65.5 liegt ja auch darin, daß er Mißbrauch Tür und Tor öffnet.
    Aber ich meine, darin sind wir uns einige.

    Grüße
    Armin

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