Transform it into real Life – oder – Qualitäten eines Dominanten

Oft, wenn ich mich on- wie offline mit Leuten aus dem BDSM-Umfeld unterhält bekomme ich das Gefühl, das eines der größten Probleme in den Beziehungen das ist, die M/s oder D/s – Dynamik, die in der virtuellen ‚Kennenlernphase‘ thematisiert wurde dann, wenn es ernst wir, auch zu halten. Das, was Online, am Telefon, in Mails oder PM’s einfach nur wunderbar funktioniert, das wird kompliziert, sobald es in ein reales Umfeld getaucht wird.

Woran liegt das? Im virtuellen ist es eigentlich recht einfach. Im Prinzip reicht es aus, einen guten Ruf in der Online-Community zu haben, sich mit den richtigen Adjektiven zu schmücken und in den Chatrooms und Gruppen immer mal wieder aktiv zu werden. Und wenn wir ehrlich sind: mit den richtigen Phrasen, passenden Sätzen und ein bisschen Phantasie gelingt es eigentlich jedem, ‚Online-Dominanz‘ auszustrahlen. Dafür muss er oder Sie das ganze noch nicht einmal erlebt haben. Second-Hand-Erlebnisse aus Romanen, Beiträgen, Bildern und Filmen reichen erstmal vollkommen aus. Dann wird in Mails das wunderbare Schloss für die devote Angebetete gebaut, in dem Sie ‚auf Augenhöhe‘ eine ‚echte, tiefe Partnerschaft‘ führen. Wo es ‚den Keller‘ gibt, in dem Sie dann ‚im geschützten, Niveauvollen Rahmen Ihre dunkle Seite ausleben kann‘. Natürlich ist er ‚immer auf Ihr wohlergehen bedacht‘ und ‚respektiert und akzeptiert die Grenzen‘. 

Es ist so einfach, die Wünsche eines Menschen zu lesen und diese dann einfach in ein paar Zeilen oder am Telefon zu spiegeln. Das Profil studieren, ein bisschen Aufmerksamkeit und Verstand und der virtuelle Mindfuck ist kein Problem. Es ist so einfach, dass sogar Menschen, die von sich aus nicht dominant sind, die vielleicht einfach nur den Kick des neuen suchen oder für die ein bisschen Arsch hauen, ein bisschen Fesseln und ein böser Blick eben zum Vorspiel gehören, Online zum perfekten Meister oder zur gnadenlosen Mistress werden. Nur weil Sie merken, es ist einfach und Sie bekommen Aufmerksamkeit und ein Erfolgserlebnis. Und so sammeln sich dann die Cyberslaves um Sie herum, Ihre Reputation in der Community wächst und nach außen; Naja, wer so viel Erfolg hat, der muss ja auch ‚in Echt‘ was drauf haben. Wirklich gefährlich wird das erst, wenn dieser ÜberDom dann beginnt, seine eigene virtuelle Propaganda zu glauben.

Es ist unglaublich schwer, einen anderen Menschen ‚Full-Time‘ oder auch nur ‚Part-Time‘ im echten leben zu dominieren. Man braucht dazu eben mehr, als eine ausgeprägte Phantasie und die Fähigkeit das Kopfkino beim Gegenüber anzuschmeißen. Es ist eben nicht nur der strenge Ton am Telefon. Die Befehle, die per Mail an die immer willige, immer bereite Sklavin gehen, die eigentlich den größten Teil Ihres Lebens recht autonom, selbstständig und -bestimmt Ihr Leben meistert. Klar, das ‚Beweisfoto‘ muss auch gemacht werden, aber die fünf Minuten findet man im Alltag schon mal, geht es doch darum den Prinzen auf dem schwarzen Ross zufrieden zu stellen und zu halten. Das ist auch gar nicht falsch, schlecht oder böse. Das ist normal. Da sind zwei, die sich suchen, finden, phantasieren und dann gegenseitig, im Einverständnis, also ganz im Sinne von SSC, belügen.

In dieser virtuellen Welt gibt es keine schlechte Laune, keine Tage, keinen Stress mit dem Chef. Da ist kein Ärger. Da ist immer die wunderbare Welt der Demut und der Dominanz. Da muss nicht abgewaschen, gesaugt oder gewischt werden. Da liegen immer alle Toys griffbereit. Dummerweise ist das keine einfache Geschichte, wenn das ganze dann ins echte Leben gebracht werden soll. Dominanz ist nichts, was gelernt werden kann. Es ist auch nichts, was einfach zu halten ist. Dominanz ist kein Segen, es ist harte Arbeit. Jemand der eben diese Dominanz in sich hat, der holt sich seine Befriedigung aber genau daraus: aus der Arbeit und dem Erfolgsgefühl, wenn wieder ein Aufgabe erledigt, ein Ritual etabliert ist. Nicht aus dem Ergebnis selbst sondern aus dem Gefühl, wieder etwas geschafft zu haben.

Daraus ergibt es sich dann, dass es nicht ‚den Dominanten‘ gibt. Es gibt Qualitäten oder Eigenschaften, die einen Dominanten ausmachen. Eine der ersten und in meinen Augen auch eine der wichtigsten Eigenschaften: Geduld.

Es gibt nichts, was schwerer ist im Leben, als jemanden umzuerziehen. Ich kann mir vorstellen, dass in der schönen, weichgezeichneten SSC und 50 Shades – Welt jetzt der eine oder andere Aufschrei ertönt… Ich bin erwachsen, meine Eltern haben mich erzogen und ähnliches. Das alles ist richtig. Und als erwachsener und wohlerzogener Mensch hast Du Dich entschieden, dein Leben in eine neue Rolle zu bringen, eben in die eines submissiven, der das in sein alltägliches Leben bringen will. Nicht nur ins Schlafzimmer, wie gesagt, ich rede hier nicht von SM als Vorspiel.

Also muss ich als dominanter Part gegen etwas angehen. Etwas, das, gesellschaftlich und moralisch, tief in uns verwurzelt ist. Etwas, das aus dem modernen Leben kaum noch wegzudenken ist. Ich muss, um ein Machtgefälle aufrecht zu erhalten, die Gleichberechtigung angehen. Uns allen, den dominanten wie auch den submissiven Charakteren, ist in den prägenden Jahren immer beigebracht worden, das es keine Unterschiede zwischen den Menschen gibt, das niemand das Recht hab, über einen Anderen zu bestimmen, Ihn zu unterdrücken, Ihn zu benutzen. Es ist böse, den Willen eines anderen zu untergraben. Aber genau das ist es, was wir wollen, wenn wir ein Machtgefälle innerhalb einer Beziehung aufbauen.

Ich muss mir nun darüber im Klaren sein, dass es nicht von heute auf morgen geht, etwas, das in der frühen Lernphase fixiert wurde, umzudrehen. Und das hat nichts damit zu tun, dass mein Gegenüber nicht ’submissiv genug‘ oder er oder sie nicht ‚wirklich devot‘ ist. Diese Phrasen sind nur die Ausrede derer, die die Qualität der Geduld nicht besitzen oder derer, die sich nie darüber Gedanken gemacht haben, was sie da eigentlich ändern wollen.

Der nächste Punkt, der dann aufkommt ist Reife.

Ein reifer, emotional erwachsener Mensch muss in der Lage sein, Ruhe auszustrahlen. Wenn der submissive Part mal emotional wird, seine ‚fünf Minuten‘ bekommt, kann es durchaus passieren, dass die gute Erziehung vergessen wird. Dann wird rebelliert, vor anderen gesagt ‚hol Dir Deinen Kaffee doch selbst‘, ‚warum soll ich jetzt das Essen bringen‘ oder ähnliches. Vielleicht sogar in zweisamen Momenten etwas lauter oder schnippisch. Das passiert. Auch der besterzogenste Mensch ist nicht immer Herr seiner Gefühle, und auch Wut darüber, dass man so total gegen das kulturelle Erbe der Gleichberechtigung leben ‚muss‘ (will) kann immer mal wieder herausbrechen.

Dann heisst es eben, ruhig uns selbstbewusst bleiben. Wenn der dominante Part sich dann in dieses Spiel mit einbinden lässt, auch laut wird, wütend wird, emotional aufgewühlt wild durch die Gegend ’straft‘, dann zeigen wir dem, den wir lehren wollen doch nur eins: Ich habe mich nicht unter Kontrolle.

Aber was ist den der Grundgedanke hinter dem Leben im Machtgefälle? Einer kontrolliert, lenkt, wacht über das Leben beider. Wie viel Vertrauen in die Führung des dominanten kann der submissive haben, wenn er bei der kleinsten unebenheit sieht, wie der Führende die Kontrolle über sich selbst verliert? Kann er sich denn überhaupt lenken lassen, wenn die Souveränität  fehlt, seine Wünsche und Regeln klar zu untermauern und zu erklären? Kann ein emotional unerwachsener Führen? Kann ein unreifer einen Lernprozess lenken? Wie dominant wirkt es, wenn man seinen Willen nicht bekommt, wütend nach seinem Kaffee zu brüllen? Dann denkt man eher an das unerzogene Balg an der Supermarktkasse als an den dominanten Partner, dem man dienen möchte.

Ebenfalls wichtig ist Verantwortungsbewusstsein und Verständnis der Dynmaik.

Jemanden zu besitzen ist eine große und ernsthafte Angelegenheit. Wenn ich innerhalb eines Machtgefälles die Führung übernehme, muss ich mir darüber im Klaren sein, dass da mehr ist als der Punkt, dass ich Kontrolle und Verfügungsgewalt über den Partner habe. Ich muss mir darüber klar sein, dass ich es bin, der das Schiff steuert. Der empfangende, ausführende Teil ist verantwortlich dafür, dass richtig ausgeführt wird, aber ich bin dafür Verantwortlich, dass das, was getan wird, sinnvoll ist. Dafür, das die Tätigkeiten uns in unserem täglichen Leben weiterbringen und dafür, dass alles in einander greift.

Wenn in der Planung etwas schief läuft, dann ist das nicht der Fehler des ausführenden. Dann ist das mein Fehler. Dann muss ich wieder die Reife besitzen, meine Fehler einzugestehen und den ausführenden dafür loben, dass er meine Aufgabe richtig erfüllt hat. Er hat richtig gesteuert. Die Koordinaten, die ich Ihm gab, waren falsch. Das kann und darf ich dann nicht Ihm anrechnen, tue ich es doch, verliere ich an Glaubwürdigkeit und Vertrauen.

Wenn wir lange genug geduldig, reif und verantwortungsbewusst waren, dann ernten wir Erfahrung und Wissen.

Natürlich sollten wir von Anfang an wissen, was wir tun. Was sicher ist, wie wir unseren Partner nehmen können, ohne körperliche oder psychische Schäden zu riskieren. Das ist etwas, was wir aus Büchern, durch Gespräche und Workshops lernen können. Was ich meine ist der Umgang mit den täglichen Klippen. Und keines der Bücher, die uns Trainigsmethoden versprechen kann uns da wirklich weiterhelfen. Auch die anderen ‚dominanten‘ die auf Partys Ihr Programm abspulen können uns das nicht geben. Die meisten von Ihnen suchen ja selbst noch und nutzen diese Gelegenheit, mit der Show, die Sie mehr für das umstehende Publikum als für Ihr eigenes Wachstum ausführen, das Ego aufzubauen und zu zeigen wie ‚erfolgreich‘ Sie doch sind. Ich rede von der Erfahrung, damit umzugehen, dass der submissive Part auch mal resistent ist. Es gibt kein Machtgefälle, in dem nicht irgendwann mal ein Punkt aufkommt, an dem die Macht angezweifelt wird.

Das passiert nicht mal bewusst, es liegt in der Natur des Menschen, bestehende Strukturen immer mal wieder zu testen, ob diese noch Bestand haben. Spätestens wenn dieser Lakmustest das erste mal durchgeführt wird, zeigt sich der Wert des Machtgefälle. Und nicht wenige Beziehungen haben in diesem Test die erste, große Krise. Doch nur durch Krisen kann der dominante Part wachsen und lernen, mit einem Gegenpart umzugehen.

Das Einzige was jetzt noch fehlt ist die Leidenschaft.

Damit gemeint ist allerdings nicht die Leidenschaft für den Partner an sich. Diese ist ein Grundbestandteil dafür, dass überhaupt eine Beziehung zu einem Menschen aufgebaut wird. Ich rede hier von der Leidenschaft, etwas zu bewegen, die Leidenschaft, zu führen und Verantwortung zu übernehmen. Mit dem Wissen darum, das es harte Arbeit ist, eine Beziehung in dieser Art zu führen, kann es nur die Leidenschaft sein, das Spiel um die Macht und Ohnmacht in der Partnerschaft zu spielen. Jeder, der diese Leidenschaft nicht hat, wird die Befriedigung, die durch diese harte Arbeit entsteht, nie verstehen.

Frankampstraße 51-69, 45891 Gelsenkirchen, Deutschland

4 Antworten auf „Transform it into real Life – oder – Qualitäten eines Dominanten“

  1. Wow … lieber Tamlin, mit diesem Artikel haben Sie sich einen tiefen, ehrlichen Hofknicks verdient.

    Ich habe ja schon selbst so einiges in unserer fb-Group nicht für mich behalten können, was thematisch in diese Richtung ging, aber es tat unheimlich gut, diesen Komplex endlich auch mal aus dominanter Sicht beleuchtet zu lesen. – Dachte ich zeitweise doch, ich wäre mit meinen Einstellungen und Sichtweisen zum D/s-Lifestyle verdammt allein auf der Welt.

    Ihr Artikel hat mir auch sehr dabei geholfen, meine Besitzerin noch besser zu verstehen, bzw. genauer: mir das, was Sie ist, was Sie tut, noch bewußter zu machen. Denn – naja – ich muss zugeben, dass ich soetwas wie die von Ihnen erwähnten Phrasen (nicht ‘submissiv genug’, nicht ‘wirklich devot’ ) auch gern mal selbst verwende – nur eben anders herum: „nicht dominant genug“ oder mein Favourit „bin ich zu stark, bist du zu schwach“.

    Es war sehr erleichternd, diese Diskrepanz darauf zurückgeführt zu sehen, dass uns dieser anerzogene Hang zur Gleichberechtigung doch gern mal in die Quere kommt, so sehr ich auch dieses Machtgefälle in der Partnerschaft liebe und brauche, um zufrieden und sinnvoll existieren zu können.

    Denn ich halte in solchen Momenten meine Besitzer ja nicht nur für „nicht dominant genug“, sondern im Stillen schelte ich mich selbst eine schlechte Sklavin bei all meinen Schwächen und Verfehlungen. Aber das zugeben? Niemals! Inzwischen habe ich das schon ziemlich gut gelernt und arbeite weiter daran, diese Schwierigkeiten nicht mehr nur als „Dom-Ding“ oder „Sub-Schwäche“ zu sehen, sondern einfach als ein externes Phänomen, das gemeinsam anzugehen und zu lösen ist.

    Aber noch etwas wichtiges zu Ihrem Artikel:

    Ich fand es auch mehr als erfreulich, dass sich endlich mal jemand öffentlich und wertfrei vom „Schlafzimmer-SM“ abgrenzt, denn nach all meinen Erfahrungen ist das so ziemlich das politisch unkorrekteste, was man in „der Szene“ machen kann. Dennoch ist es nun mal so: beides ist schön, beides ist gut und jedem das seine, aber Schlafzimmer-SM und D/s-Lifestyle sind in der Basis so grundverschieden, wie es nur geht.

    Das die Schlafzimmer-SMer, selbst wenn man vor lauter wertfreiem Formulieren schon den Schweiß auf der Stirn hat, sich dann immer gleich herabgewürdigt fühlen und auf die Barrikaden gehen ist – sorry – deren Problem.

    Vielen lieben Dank für diesen wunderbaren Artikel,

    Ihre Kitty 8:-)

  2. Danke für die lieben Worte! Freut mich, das mein Text Dir helfen konnte, Deine Sichtweise auch für die andere Seite zu öffnen 😉

    Ich finde, wir haben im täglichen Leben schon genug Leistungsdruck, als das wir den in der Partnerschaft noch brauchen. Selbst in einem Machtgefälle ist es doch in den meisten Fällen eher eine Win-Win – Situation. Der eine muss sich keine Gedanken machen, wie die Dinge erledigt werden, der Andere kann die Verantwortung dafür, was er tut, abgeben. Beide sind zufrieden.

    Und auch wenn Strafe immer mal wieder ein Thema sein wird, finde ich es doch viel schöner, mein Babe am Ende des Tages zu loben.

    Grüße
    Sascha

  3. Hallo Sascha,
    ich bin gerade über diesen wundervollen Beitrag gestolpert (eigentlich über das Bild), als ich bei google nach „Machtgefälle“ gesucht habe. Es spuckte nicht wirklich Nennenswertes aus bis auf das kleine ansprechende Bildchen. Ich habe darauf geklickt, gelesen und bereue es nicht.
    Ich werde meinem Dom/Herrn/Partner diesen Text zeigen, denn er spricht mir so sehr aus dem Herzen.
    Wir sind gerade in wohl einer dieser Kriesen, die erwähnt werden, wenn aus dem Wunschdenken Realität werden soll. Wobei wir ja schon seit Jahren daran sind, aber nun habe ich eine D/s-Pause angeregt, um einfach mal zu reflektieren, was genau da so abläuft und doch irgendwie nicht stimmig ist. Sehr anstrengend. Vielleicht hilft uns dieser tolle Beitrag weiter.
    Vielen lieben Dank!
    liebe Grüsse kitty
    (noch eine^^)

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